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Afghanische Praktikanten

Drei junge Männer aus Afghanistan bei der Lebensmittelausgabe in der Dortmunder Tafel

Seit drei Wochen haben wir drei junge Praktikanten aus Afghanistan, die bei uns ehrenamtlich arbeiten und "nebenbei" deutsch lernen. Über dieses Projekt haben die Ruhrnachrichten heute mit diesem schönen Artikel von Gaby Kolle berichtet:

 

Deutsch mit Lauchzwiebeln

Lauchzwiebeln werden viele anregende Wirkungen nachgesagt. Bei Zaki Ahmadi (18), Bashir Ahmajai (20) und Mohammad Naghi Hassamzadih (20) stärken sie vor allem das Sprachvermögen. Lauchzwiebeln gehören zu den täglichen 25 Vokabeln, die die drei jungen Flüchtlinge aus Afghanistan zu ihrer Deutschstunde mitbringen. Die drei arbeiten seit rund drei Wochen als Praktikanten bei der Dortmunder Tafel.

Eine Lücke im Gesetz macht es möglich; denn arbeiten dürfen die jungen Afghanen, die vor vier, beziehungsweise fünf Monaten nach Deutschland kamen, noch nicht. Ein Praktikum machen aber schon, erzählt der Dortmunder Tafel-Vorsitzende, Dr. Horst Röhr.

Flüchtlinge aus dem von der Diakonie betriebenen Phoenix-Haus in Hörde tauchten vor einigen Wochen bei der dortigen Tafel auf – und wollten helfen. Doch so unstrukturiert geht das auch bei der Tafel nicht. Deshalb, so Röhr, habe man gemeinsam mit dem Phoenix-Haus die drei jungen Männer ausgesucht, ihnen eine Tagesstruktur und eine Aufgabe gegeben.

Nun arbeiten sie an fünf Tagen in der Woche ehrenamtlich bei der Tafel, täglich vier bis sechs Stunden – getrennt voneinander – in Lager, Laden und Küche, schleppen Kisten, entpacken Salat, Obst und Gemüse und schälen Kartoffeln. Englisch können sie nicht, aber von 12 bis 12.45 Uhr ist Deutschunterricht, den die Tafel für sie organisiert. Günter Erlberg, Wolfgang Burkhardt und Waltraud Böttner – auch sie arbeiten ehrenamtlich – gehen dabei sehr pragmatisch vor, nämlich anhand der Vokabeln, die die Flüchtlinge im Tafelbetrieb am häufigsten benötigen.

Wobei wir wieder bei den Lauchzwiebeln wären. Als sie mit diesem Wort in den Unterricht kamen, fiel es ihnen schwer, das „z“ auszusprechen. „Wir sind darüber zur Zunge gekommen“, berichtet Waltraud Böttner, „von dort ins Gesicht über den Körper zur Bekleidung bis hin zur Mütze.“

Die Drei sind ein leuchtendes Beispiel dafür, wie gut diese unorthodoxe Lehrmethode funktioniert: „Wir möchten mehr Deutsch lernen“, sagt Zaki stolz. „Mal sehen“, meint Dr. Röhr, „wir sind in der Sache auch noch Lernende.“ Zu gegebener Zeit werde man den drei Männern ein fundiertes Zeugnis ausstellen und bei der Vermittlung eines Ausbildungsplatzes helfen – vorausgesetzt, sie können so lange in Dortmund bleiben.

Sonderrechte gegenüber den altgedienten Ehrenamtlichen bei der Tafel haben sie nicht, sie verdienen auch nichts. Dafür erhalten sie eine Perspektive. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Waltraud Böttner ist fasziniert, wie schnell die drei Flüchtlinge lernen. „Als ich ihnen erklärt habe, wie wichtig es ist, dass man Fahrgeld bezahlt, zogen sie ihre Fahrkarten heraus.“

Und als kürzlich der Kälteeinbruch war, kam Mohammad Naghi Hassamzadih in den Unterricht, fasste in die Tasche, zog etwas Wollenes heraus und sagte stolz: „Ich habe eine Mütze.“ Mit einem „z“ wie in den Lauchzwiebeln.

Gaby Kolle, Ruhrnachrichten 22.10.15

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